Dominic -- Skin Deep / A New Dawn 7"

Die für mich persönlich beeindruckendste -- weil ganz und gar nicht zu den Klischees des Tough-Guy-Hardcore-Erfinders passende -- Passage in den Memoiren von Harley Flanagan ist die Stelle, an der er über seine beiden Söhne spricht.

"My kids' mother decided she wanted to go back to school so she could get a job, and that was fair. So I took off two years from playing gigs -- and it really was the best gig I could've had. Those were some of the happiest times of my life, being with my kids all the time. I loved it. But it put a damper on the gigging and touring. Sometimes you have to prioritize, and I have no regrets. At that point I became the kids' primary caregiver, looking after the kids every day."

Die Arbeit auszusetzen, das eigene Leben auf Sparflamme runterzuregeln und sich für Monate oder gar Jahre als primäre Bezugsperson 24/7 um ein, zwei oder noch mehr Kids zu kümmern, ist, wie ich bestätigen kann, eine unglaublich intensive Erfahrung. Eine Erfahrung, durch die Worte wie "bedingungslos" und "Liebe" eine ganz neue Bedeutung erhalten. In einer Welt, in der sich selbst vermeintlich progressive Großstädter noch an der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung ihrer Urgroßeltern orientieren, ist die Kleinkindbetreuung durch Männer leider immer noch die Ausnahme. (Und niemand soll mir jetzt bitte mit "Am Anfang braucht das Kind nun mal die Mutter!" und ähnlichem Mist kommen.) Vor diesem Hintergrund also dicke Props an Harley.

Leider ist Hard-Core: Life Of My Own bis auf diese Stelle und die Geschichte mit Earth Crisis (Harley pisst ihnen in die Wasserflaschen, wischt sich vor den Gigs den Arsch mit ihren Bühnenhandtüchern und kloppt am Ende ihren Van kaputt) eine ziemlich finstere Angelegenheit; eine nicht enden wollende Aneinanderreihung brutaler Gewaltszenen, bei denen, wie sollte es anders sein, Harley zumeist selbst austeilt. Und wir reden hier nicht von Schubsereien im Pit, sondern von Abgebrochene-Flasche-in-die-Fresse-Gewalt, von Auf-den-Kopf-treten-bis-die-Hirnbrühe-rausläuft-Gewalt, von Schlägereien, bei denen der Unterlegene anschließend in monatelanger Reha wieder gehen und sprechen lernen muss. Dass Harley dann in der Mitte des Buches verkündet, er hätte die heftigsten Geschichten rausgelassen, weil seine Kinder ja eines Tages die Stories lesen könnten, spricht Bände.

Und trotzdem habe ich das Buch regelrecht verschlungen. Warum? So bescheuert sich das anhören mag, aber irgendetwas in mir empfindet nach wie vor Sympathie für den Underdog Harley Flanagan, und seine Biographie ist einfach eine krasse Story. Außerdem sind da natürlich noch Age Of Quarrel und Best Wishes. Platten für die Ewigkeit, die eine zentrale Rolle in dieser Story spielen.
Wenn sich eine Erkenntnis bei der Lektüre wieder mal verfestigt hat, dann die Gewissheit, dass der frühe Hardcore New Yorker Prägung zwar eine musikalische Offenbarung sein mag, mir persönlich allerdings in puncto Attitude vollkommen fremd ist.

Was das mit der skandinavischen Posthardcore/Screamo-Institution Dominic zu tun hat? Nichts eigentlich, außer, dass deren Skin Deep / A New Dawn 7" auf Apocaplexy Records eine auf 35 Exemplare limitierte Edition mit Age Of Quarrel-Hommage-Coverartwork hat, das ich für sehr gelungen halte.

Dominic -- Skin Deep / A New Dawn 7" (Apocaplexy Records, Not Another Record Label, Superfluous, Great Northern Records), 2011

Harley Flanagan -- Hard-Core: Life of My Own, 448 Seiten (Feral House), 2016