Morrissey -- I just want to see the boy happy / Speedway 7"

Heute im Zentralorgan der SED, oooooops, ich meine natürlich in der sozialistischen Tageszeitung aus Berlin namens Neues Deutschland eine unterhaltsame Kritik zum Konzert von Morrissey im Tempodrom gelesen. Wirklich guter Text, den der Herr Thomas Blum da zu Papier gebracht hat. Und wirklich bedauernswert, die Auswüchse, die der Bekehrungswahn des Herrn Morrissey mittlerweile angenommen hat. Hier ein kurzer Eindruck aus besagtem Artikel:

"Während Morrisseys Klage über das Menschengeschlecht erklingt, suppt aus den Lautsprechern eine sehr dicke und sehr laute Gniedelrocksoße. So richtig fein abgestimmt ist der Klang nicht. Egal. Die politische und moralische Erziehung des Publikums ist schließlich wichtiger. Und die nimmt ihren Lauf. »No Trump! No Clinton! No Confidence!«, ruft Morrissey und gibt auch sonst zu verstehen, was er von Politikern im Allgemeinen hält. »Politicians are the real criminals.« Dabei verwechselt er schon mal den Nationalsozialismus mit der bürgerlichen Demokratie. Seinem deutschen Publikum beispielsweise gibt er einen Rat. Die Deutschen, sagt er, sollten sich über Hitler und ihr nationalsozialistisches Erbe (»heritage«) nicht zu sehr den Kopf zerbrechen, schließlich hätten die Briten Thatcher und Blair gehabt und die Amis den Herrn Bush. Für gewöhnlich sind derlei Obszönitäten nur auf NPD-Parteitagen zu hören. Aber wo gehobelt wird, da fallen eben Späne. Dass Hitler Vegetarier war, erwähnt Morrissey nicht.

Er will die Menschen nach seinem Bilde formen, ihnen den rechten Weg weisen zu einer gesunden und ethischen Lebensführung. Er will, dass die Menschen keine Salami mehr essen. Und er setzt auf Erziehung durch Schockbilder. Wenn man dem Publikum nur oft genug vorführt, was für ein Erzhalunke und Lumpenkerl der Mensch ist, wenn man es konfrontiert mit seiner Gemeinheit und Verkommenheit, immer wieder, dann lernt es etwas, glaubt Morrissey. Deswegen zeigt die Leinwand hinter ihm hässliche Szenen, die in Schlachthäusern aufgenommen wurden: kleine Schafe, die bei lebendigem Leib aufgeschnitten werden, eine Kuh, in deren fragendes Antlitz wir blicken, während quälend langsam alle Anzeichen des Lebens aus ihm schwinden, weil literweise das Blut aus dem Tier läuft. »Animals die, it’s murder!«, klagt der Sänger. Gleichzeitig wird hinter ihm ein riesiger Schriftzug in fragwürdigem Deutsch eingeblendet: »Was ist die Ihre Entschuldigung. Fleisch ist Mord«. Des weiteren erzählt Morrissey die Geschichte von dem Stierkämpfer, der von dem zuvor von ihm gequälten Stier niedergestreckt wurde. Und der Sänger erzählt auch, was seine Reaktion darauf war, als er diese Geschichte erfahren habe: »Ha-Ha-Ha!« Da feixt er und freut sich wie ein Schneekönig, dass der edle Stier den dummen Tierquäler zu Tode getrampelt hat. Heißa, was für eine Gaudi. »Hooray, the bullfighter dies, nobody cries.«"

Tja, wenn man solche Beschreibungen liest, dann ist wohl von zukünftigen Konzertbesuchen bei olle Mozza eher abzuraten. Mit Würstchenwasser gefüllte Spritzpistolen wären vielleicht noch eine Idee zur Auflockerung derartiger Veranstaltungen, aber das wäre dann wohl ein eher teurer Spaß.
In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich auch die Frage, ob man Morrisseys Musik angesichts dieses ganz offensichtlichen Irrsinns noch so uneingeschränkt abfeiern / konsumieren sollte.
Ja, stimmt. Es gibt wirklich Schlimmeres. Und überhaupt, Genie un Wahnsinn und so.

Die Single hier habe ich übrigens in der Space Hall aus einer Grabbelkiste gefischt, für ein oder zwei Euro, allerdings ohne Cover. (Bummer.) Musikalisch schließe ich mich voll und ganz der NME-Kritik an: "This is Mozza at his mic-lead whipping best."

Morrissey -- I just want to see the boy happy / Speedway 7", Sanctuary Records (2006)